Menschen bei uns

»Wer für etwas brennt, sollte es tun und teilen.«

, von Imke Kuhlmann

Rik Reinking: »Die Kunst hilft mir, die Welt zu verstehen. Haltung und Rücksichtnahme bringen uns zusammen«.

Wentorf – Kaum wurde die erste Ausstellung im WAI (Wood Arts Institute) eröffnet, da gingen die Türen schon wieder zu. Den Start mit seiner kulturellen Begegnungsstätte hat sich Rik Reinking anders vorgestellt. »Es ist schon schwierig, einen Ort der Begegnung in einer Zeit zu eröffnen, in der Kontakte auf ein Minimum reduziert werden müssen und Museen und Kultureinrichtungen geschlossen sind«, sagt der 45-jährige Kunstsammler.

Reinking hat sich in der Kunstszene einen Namen gemacht und zählt zu den bedeutendsten Sammlern in Europa. 2006 wurde er von »Land der Ideen«, einer Initiative der Bundesregierung zu den »100 Köpfen von morgen« ausgezeichnet. Er wird als Sammler mit außergewöhnlichem Blick für Qualität gewürdigt. Erfolge, die manchen Menschen die Bodenhaftung verlieren lassen – nicht bei Rik Reinking. Elitäres Gehabe mag er nicht. Der Kunsthändler hat andere Maxime. Augenhöhe, Harmonie und Freiheit sind ihm wichtig. Was für ihn gilt, lässt er genauso für andere gelten. Und so hat der Kunstmäzen in unserem Gespräch den Kaffee selbst gekocht, eine Kerze flackert auf dem Tisch, an dem wir mit großem Abstand sitzen und jedem, der am Fenster vorbei geht, wird gewunken.

Der Kunstexperte ist gebürtiger Hamburger. Mit seinem Bruder und seiner Schwester ist er in Oldenburg groß geworden. »Unsere Eltern wollten, dass wir nicht im Trubel der Großstadt aufwachsen«, sagt er. Deshalb haben sie Hamburg verlassen, wohin es ihn später jedoch wieder zurückzog. Für Reinking ist Kunst auch Gefühl. »Ich kann beispielsweise ein Farbempfinden nicht lernen«, so der Kunstliebhaber. Bereits als Kind haben ihn Kunstwerke interessiert. Die Leidenschaft verlor er nie und so schloss sich seinem Jurastudium ein Studium der Kunstgeschichte an. »Kunst hilft mir, ein Verständnis von der Welt zu bekommen, aber ebenso mal einen Schritt zur Seite zu treten und die Perspektive zu ändern«, erklärt Reinking. Dass er Kunstsammler wurde, habe sich ergeben. »Man hat ja nicht den Berufswunsch Kunstsammler«. Seinen Erfolg baute er sich aus eigener Kraft auf, sowohl finanziell als auch im Hinblick auf seine Kompetenz. Er müsse viel lesen und sich reindenken, um die Kunst zu verstehen. Doch das meiste habe er durch die Gespräche mit den Kunstschaffenden gelernt. »Der Künstler Duchamps sagte, ein Sammler ist ein Künstler im Quadrat«, erzählt er. Und so sei seine Kreativität, die Werke im Raum in einen Dialog zu bringen. Der generations- und kulturkreisübergreifende Aspekt sei ihm dabei wichtig. »Vor Menschen, die meine Sammlung lesen können, ziehe ich mich aus«, erklärt der Sammler. Denn wer die Kunst verstehe, die er sammelt, könne auch ihn deuten.

Gefühl ist etwas, das sein Leben prägt, für Dinge gleichermaßen wie für Menschen. »Ich bin harmoniesüchtig, bei meiner Arbeit und in der Familie« verrät der Vater zweier erwachsener Söhne. Das WAI ist ein Traum, den er sich erfüllt hat. Die Kombination von Natur, Architektur und Kunst ist für ihn das Synonym von Begegnung auf unterschiedlichen Ebenen. »Das hier ist für mich Freiheit«, bestätigt er. »Haltung und Rücksichtnahme bringen uns zusammen«, sagt er. Reinking möchte das Miteinander stützen, sowohl in der Sache als auch mit Menschen. Da sei er ein Macher, ein Vermittler und ein Schlichter, wenn es doch mal hakt.

Bei allem ist er sehr detailverliebt. Sei es, wenn es um die optimale Höhe geht, ein Kunstwerk aufzuhängen, um das richtige Potpourri im Reich der Rhododendren auf dem Gelände oder um jede winzige Kleinigkeit im originalgetreuen Erhalt der Fachwerkhäuser. »Wer für etwas brennt sollte es tun und teilen«, sagt er. Dann wird es funktionieren. Kunst stehe oft in der Kritik, doch Kritik gehöre für ihn zur Entwicklung eines jeden dazu. »Ich bin an Kritik gewachsen«, beschreibt er. Heute beobachte er jedoch, dass die Beurteilung mit einer anderen Sicht meist nicht gut ankäme, dabei sei es ein Ansporn zur Weiterentwicklung.

Dass er mit 16 sein erstes Bild kaufte, ist hinlänglich bekannt, dass seine Sammlung bereits das erste Mal von einem Museum angefragt wurde als er Anfang 20 war, eher nicht. Nun hat er einen Ort der Ruhe, des Miteinanders, der Kunst mitten in Natur und Architektur geschaffen. »Mir ist das kreative Miteinander von Kunst aber genauso von Musik und Literatur wichtig«, so Reinking. Und er geht noch weiter: »Mein Traum ist, dass sich hier Menschen treffen und ins Gespräch kommen, die ganz unterschiedliche Interessen haben, ein Literat, ein Musiker, ein Bildhauer, ein Banker und ein Jurist beispielsweise«, sagt er.

Aktuell wird die erste Ausstellung »Reinking 01« wieder abgebaut. Allerdings sitzt Tim  noch jede Nacht in einem Raum des Ausstellungshauses. Er hat Kunst auf seinem Körper. Auf seinen Rücken wurde ein großformatiges Tattoo von einem Bild mit einer betenden Maria und einem Totenschädel gestochen, das Reinking 2006 gekauft hat und schon im Louvre ausgestellt wurde. Von Mitternacht bis sechs Uhr morgens wird gerade live aus Wentorf nach Horbat (Tasmanien) gestreamt, um zu Öffnungszeiten Besucher des Mona Museums (vom Privatsammler David Walsh) an dieser besonderen Kunst teilhaben zu lassen.

Auch wenn das große Tor des WAI noch geschlossen bleibt, so bewegt sich dahinter einiges. Im Frühjahr soll die nächste Ausstellung fertig sein. Reinking ist gespannt, ob er dann wieder Menschen auf das Gelände lassen darf. Der Sammler hat Konzepte entwickelt, die der aktuellen Situation gerecht werden können. »Wir haben hier eine Begegnungsstätte im Freien«, sagt er. Sofern die Türen des Ausstellungshauses dann noch nicht öffnen dürfen, werden wir die Kunst anders als üblich präsentieren«, sagt er. Mehr verrät er noch nicht.

Am Ende des Gesprächs stelle ich fest, die gute Laune und die positive Aura von Rik Reinking steckt an und gibt mir Energie. Er ist durch und durch authentisch mit allem, was er sagt. Und so verrät der kreative Kopf am Ende noch den Tipp, wie er negative Erfahrungen los wird: Er schreibt sie alle auf, heftet sie in einen Ordner und legt sie ab – damit seien sie auch nicht mehr in seinem Kopf.

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