Menschen bei uns

Schuhmachermeister Werner Engel hat den Schalk immer gern im Nacken

, von Imke Kuhlmann

»Ich mag es, mit den Händen etwas zu schaffen und zu sehen, was daraus wird.«

Wentorf – Er ist mehr als ein Schuhmachermeister, er ist eine Institution. Dienstleistung wird bei ihm groß geschrieben. »Das habe ich von meinem Vater gelernt«, sagt der 80-jährige. Auch Hermann Engel war Schuhmachermeister in Wentorf.

»Eigentlich wollte ich Fliesenleger werden«, berichtet Werner Engel. Doch daran war nicht zu denken. Er musste in die Fußstapfen seines Vaters treten. Als zweiter von sechs Geschwistern und unter strengem väterlichen Regiment hatte er keine Wahl. Und so begann er 1955 seine Lehre beim Vater. »Die reparierten Schuhe brachten wir den Kunden nach Hause«, erinnert er. Das war eine seiner Aufgaben. Per  Fahrrad mit Anhänger lieferte er die Reparaturen aus und verdiente sich so die eine oder andere Mark (damals gab es noch keinen Euro) dazu. »Mit Beginn meiner Ausbildung musste ich für alles selber zahlen, ein neues Hemd kaufen oder auch eine Hose«, erinnert er. Da kam das Trinkgeld ganz gelegen.

Das Schuhmacherhandwerk hat Werner Engel noch von Hand gelernt. So ist auch sein Meisterstück handgenäht. »Ich habe diese Schuhe nie getragen«, sagt er. Das hatte er sich geschworen. Sie sollten unangetastet bleiben. Doch hätte er sie angezogen, so hätten sie Jahrzehnte gehalten. Die Qualität sei unschlagbar gewesen. Das Meisterwerk, das er 1965 schuf, liegt seit der Prüfung im Regal. Mit Stolz zeigt er das Paar Herrenschuhe. »Wenn ein Stich daneben gegangen wäre, wäre es das mit der Prüfung gewesen«, erinnert er. »Damals hieß es, wenn die Maschinen einmal ausfallen, müssen wir die Schuhe weiter produzieren können«. Die maschinellen Fertigkeiten eignete sich Engel daher ebenso bereits in der Ausbildung an. Vor rund 60 Jahren eröffnete er sein Geschäft in der Feldstraße. Damals produzierte er noch selber Schuhe. Und auch er brachte den Kunden die Schuhe nach Hause. »Für mich war das selbstverständlich«, sagt er. Bis vor fünf Jahren war er dort ansässig. Nebenan der Kiosk seiner Frau Elke (77), mit der er seit 57 Jahren verheiratet ist. Auch ihr Geschäft war legendär. Unzählige Kinder wurden mit den Süßigkeitentüten, die von Hand zusammengestellt wurden, belohnt.

Bei den Engels verlies keiner den Laden ohne ein freundliches Wort. Das Miteinander hat für beide eine große Bedeutung. Vor rund fünf Jahren wurden die Häuser in der Feldstraße verkauft und in Wohnraum umgewandelt. Das Ehepaar musste die Läden räumen. Elke Engel versuchte es noch kurz als Angestellte, doch damit ist inzwischen Schluss. Ganz anders als ihr Mann Werner. Nach langer Suche wollte es der Zufall, der ihm ein neues Dach für die Schuhmacherei bescherte. Auf dem Grundstück der Firma Buhck hat er mit deren Unterstützung seinen neuen Standort gefunden. Vor dem Laden hat Elke ein kleines Gärtchen angelegt. Dorthin zieht es das Ehepaar gern mal am Wochenende. Sie freuen sich über den Garten, in dem sie gern sitzen und die Ruhe miteinander genießen.

Ans Aufhören ist bei Werner Engel noch lange nicht zu denken. Die Wentorfer wollen auf den Schuhmacher, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, nicht verzichten. Und Werner Engel? Der bringt es nicht über das Herz, dem Betrieb den Rücken zu kehren. Zu sehr hängt er an dem Beruf, der es ja eigentlich nicht werden sollte. Und an den Wentorfern. »Ich mag es, mit den Händen etwas zu schaffen und zu sehen, was daraus wird«, sagt er. Und er macht richtig gute Schuhe. Für schlechte Qualität ist er nicht zu haben.

Wentorf hat er nie verlassen. »Nur kurz zur Geburt«, sagt er. Den Schalk hat er immer gern im Nacken. Das lieben seine Kunden. Doch neben der Liebe zum Beruf und zu seiner Frau gab es noch eine Weitere. Die Freiwillige Feuerwehr in Wentorf. 60 Jahre war er nicht nur aktiver Feuerwehrmann, er spielte auch im Musikcorps Börnsen/Wentorf. »Als Kind habe ich Akkordeon gelernt, bis eines Tages der damalige Wehrführer, Emil Krüger in den Laden kam und eine Trompete mitbrachte«, berichtet er. Damals war Werner Engel ungefähr zwölf Jahre alt. Seit dem ist die Trompete sein Lieblingsinstrument. Im Musikcorps spielte er auf vielen Feuerwehrfesten und die Gruppe blickt auf eine Reihe von Auftritten zurück. Doch am allerwichtigsten war ihm immer die Gemeinschaft und das Miteinander. Nach 60 Jahren hat er dennoch Schluss gemacht. »Ich habe mich entschieden, im Betrieb noch weiter zu arbeiten, irgendwo musste ich jetzt Abstriche machen«, sagt er. Im Alter von 80 Jahren ist das eine berechtigte Forderung.

Auch Geburtstagsständchen hat Werner Engel im Repertoire. Doch legendär ist das Spielen des Liedes »Der Mai ist gekommen« auf der Trompete –  immer am 1. Mai um acht Uhr morgens. Dann marschiert er vom Burgberg aus durch Wentorf und weckt die Menschen mit seiner Musik. »Die Leute freuen sich, wenn Herr Engel durch den Ort zieht«, sagt er mit einem Zwinkern. Musik ist seine Leidenschaft. »Das Spielen der Trompete macht mich glücklich«, sagt er. Besonders glücklich daran macht ihn, dass er anderen Menschen eine Freude bereitet.

Seinen kleinen Laden am Südring 38 öffnet er für zwei Stunden am Tag (montags, dienstags, donnerstags und freitags von 16 bis 18 Uhr und mittwochs von 10 bis 12 Uhr). »In der anderen Zeit repariere ich die Schuhe«, sagt er und lächelt wieder verschmitzt.

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