UNESCO Kulturerbe

Auszeichnung für Reinbeks Friedhöfe als Orte der Erinnerung und Kultur

, von Susanne Nowacki

Annegret Habel und Rahel Magerstädt, eine der zehn gärtnerischen Mitarbeiter*innen der Reinbeker Friedhöfe, bringen die neue Auszeichnung gut sichtbar an. FOTO: Susanne Nowacki

Reinbek – Sterben, Tod und Trauer gehören zum Leben. Wichtig ist die Erinnerung an verstorbene Menschen, denn niemand geht so ganz. Er oder sie lebt in den Herzen der Familie und Freunde weiter. Ein wichtiger Ort ist für viele Hinterbliebene der Friedhof, eine Stätte voller Frieden und liebevoller, wertschätzender Gestaltung. In Deutschland sind Friedhöfe parkartige Anlagen, umschlossen von einem Zaun, Mauern oder Bäumen. Seit Jahrhunderten werden Menschen in Mausoleen, Erdgräbern und immer mehr in Urnengräbern beigesetzt.

Seit 130 Jahren haben 17.650 Beisetzungen auf dem 10,4 Hektar großen Friedhof der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Reinbek-Mitte an der Klosterbergenstraße stattgefunden. Jetzt stehen dieser Friedhof und auch der Waldfriedhof in Neuschönningstedt (2,0 Hektar), seit den 1970er Jahren ebenfalls in der Trägerschaft der Kirchengemeinde, im Zeichen des immateriellen Kulturerbes Friedhofskultur.

Annegret Habel, Leiterin der beiden Friedhöfe, brachte am 18. September ein entsprechendes Schild am Haupteingang des Friedhofs in der Klosterbergenstraße an, um so auf die wichtige Bedeutung der Friedhofskultur für die Stadt Reinbek und die Kirchen-Gemeinden aufmerksam zu machen. Damit ist Reinbek Teil eines bundesweiten Netzwerks von über 100 Städten, die den diesjährigen Tag des Friedhofs am dritten Sonntag im September der Ernennung der Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe widmen.

Bereits im März hatte die Kultusministerkonferenz auf Empfehlung der Deutschen UNESCO-Kommission diese Ernennung zum immateriellen Kulturerbe der deutschen Friedhofskultur beschlossen. Annegret Habel: »Allerdings ging die Auszeichnung im Corona-Lockdown völlig unter, weshalb wir jetzt mit der Aktion „Friedhöfe auszeichnen“ auch bei uns in Reinbek auf dieses vielschichtige Kulturerbe aufmerksam machen möchten.«

»Es sind nicht die Friedhöfe an sich zum immateriellen Kulturerbe ernannt worden«, erläuterte Annegret Habel in ihrer Ansprache, »sondern die Friedhofskultur, also all das, was Menschen auf dem Friedhof tun.« Dazu gehöre das Trauern, Erinnern und Würdigen genauso wie das Gestalten, Pflegen und Weiterentwickeln. Immer mehr Urnenbeisetzungen an Stelle von Erdbestattungen führen zu weniger Platzbedarf und Lücken in den Grabreihen. Erweiterungsflächen werden nicht genutzt.

»Durch geänderte Traditionen in der Bestattungskultur ist es wichtig, dass Friedhöfe weiterentwickelt werden und sich anpassen«, betont Annegret Habel. So gibt es auch im Schutz des Friedhofs mit seiner Infrastruktur an Parkplätzen, Wegen und öffentlichen Toiletten Baumgräber, Urnenstelen oder durch die zehn Friedhofsgärtner gepflegte Themenfelder wie den Rosengarten.

»Der Friedhof ist vor allem auch ein Ort der Lebenden«, sagte Habel weiter, »der weit über die persönlichen Trauerrituale hinaus identitätsstiftende Bedeutung für unsere Gesellschaft hat.« Hervorzuheben ist zum Beispiel die historische Dimension der Denkmäler. So wurden auch in Reinbek herausragende Persönlichkeiten wie Familie Nissen aus Glinde oder Zeit-Verleger Gerd Bucerius beigesetzt. Der Kulturraum Friedhof bildet zudem den größten Skulpturenpark der Stadt und ist zugleich Inspirationsfläche für viele Kunstformen.

Besonders bedeutsam ist die soziale Funktion des Friedhofs: er ist Treffpunkt für Familien oder Angehörige und wirkt der sozialen Vereinsamung von Hinterbliebenen entgegen. Nicht zuletzt zeigt sich dieser Kulturraum über kulturelle und religiöse Unterschiede hinweg als ein Ort der Integration und des Friedens.

Nicht zu vergessen ist die Bedeutung der Friedhöfe für den Klima- und Naturschutz, zum Beispiel auch als Ort der Biodiversität. »Auch bei uns sind Bäume und Pflanzen von den Trockenphasen betroffen. Wir sind ständig auf der Suche nach Bäumen und Stauden, die Trockenheit gut aushalten. Umso schöner ist es, wenn diese einen biblischen Bezug haben.«

Grundvoraussetzung für die Ernennung der Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe war für die UNESCO »die Lebendigkeit der kulturellen Ausdrucksform«. Die Auszeichnung der Friedhöfe Reinbek und Neuschönningstedt hat das »Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur« initiiert, das sich der Pflege und Weiterentwicklung dieses Kulturerbes verschrieben hat. Auf seiner Seite www.kulturerbe-friedhof.de finden sich umfangreiche Informationen über die Friedhofskultur in Deutschland, die Ernennung zum immateriellen Kulturerbe und deren Bedeutung für unsere Gesellschaft.

Mehr zum Thema