Menschen bei uns

»Ich wollte immer eine Arbeit machen, die für mich einen Sinn ergibt.«

, von Christa Möller

Kay Tangerman ist Sozialarbeiterin an der Gemeinschaftsschule.

Wentorf – Kay Tangermann ist in Reinbek geboren und in Schwarzenbek aufgewachsen. In Hamburg hat sie den Hauptschulabschluss und eine Ausbildung zur Kinderpflegerin für behinderte und nicht behinderte Kinder gemacht. Doch das genügte der wissbegierigen jungen Frau nicht, denn »die Verdienstmöglichkeiten waren nicht so toll und das berufliche Umfeld ist nicht so breit aufgestellt.« So folgte nach dem Realschulabschluss die Erzieherausbildung. »Ich bin früh von zuhause ausgezogen, war auf mich gestellt und musste mir alles hart erarbeiten«, erinnert sie die schwere Zeit als alleinerziehende Mutter, die nach Feierabend ein Sozialpädagogik-Studium absolvierte. »Mutter sein, Haushalt führen, arbeiten, studieren – heute weiß ich nicht, wie ich das damals geschafft habe. Aber es war mir wichtig, meinem Sohn vorzuleben, was alles möglich ist.« Ihre Berufswahl ist sicherlich mit ihrer Herkunft verbunden: »Ich komme aus einer Familie, wo Sozialkompetenzen sehr großgeschrieben wurden. Ich wollte immer eine Arbeit machen, die für mich einen Sinn ergibt.«

Sie hat zunächst mit geistig behinderten Männern gearbeitet, später körperlich eingeschränkte Menschen betreut und dann einen Kindergarten auf dem Bauspielplatz in Jenfeld eröffnet, bevor sie in Reinbek eine Wohngruppe etablierte für Kinder, die nicht mehr zuhause leben konnten. Dann führte ihr Berufsweg sie nach Wentorf, wo sie seit 13 Jahren in der Gemeinschaftsschule Ansprechpartnerin für die Schüler, Lehrer, Eltern und Behörden ist. Zunächst war sie für die Hausaufgabenhilfe zuständig. »Aber dann hat die Gemeinde mein Potential erkannt und die Schulsozialarbeit eingerichtet«, freut sie sich über den beruflichen Wandel, der damals zu einer Stellenteilung führte. Denn sie koordinierte nicht nur den Offenen Ganztag an der Gemeinschaftsschule, sondern übernahm außerdem die Schulsozialarbeit, bis letztere zu einer ganzen Stelle ausgeweitet wurde.

»Die Arbeit fand ich immer toll und sinnvoll«, erläutert Kay Tangermann. Sie schätzt die Möglichkeit, einen unterstützenden Beitrag an die Gesellschaft zu leisten. »Ich habe einen Beruf, den ich gern ausübe, wo ich mit Herzblut dabei bin.« Die 62-Jährige lobt die gute Zusammenarbeit mit den Lehrern und betont: »Wir arbeiten uns alle zu. Sonst funktioniert das nicht.« Jedoch wünscht sie sich eine Möglichkeit, nicht nur die Kinder, sondern vermehrt auch die Eltern einzubeziehen. Die Arbeit habe sich verändert, es sei immer eine Herausforderung, einen Zugang zu finden, wie sie mit Blick auf den Umgang mit belasteten Menschen sagt. Nicht allen Kindern kann sie helfen, manchen jedoch Alternativen aufzeigen. »Ich empfinde mich hier nicht als Retter, ich habe genug Distanz dazu. Das ist etwas, das man nur über die Jahre lernen kann.«

Während unseres einstündigen Gesprächs klopft es zweimal an die Tür, aber normalerweise lassen sich die Schüler einen Termin geben, wenn sie Gesprächsbedarf haben. Die Bandbreite der Themen reicht von normalen Streitigkeiten bis zu Vernachlässigung. »Viele Eltern sind überlastet. Ich habe das Gefühl, dass die Kinder heute anders betreut sind«, erklärt sie bezüglich vieler Freiheiten der Jugendlichen, denen oft der Halt gebende Rahmen fehle. Nicht nur Lehrer, sondern auch einige Schüler stört es, dass es in den Schulklassen lauter geworden ist, wie Kay Tangermann weiß. Die Sozialarbeiterin beklagt große Klassen mit rund 25 Schülern in kleinen Klassenräumen.

»Es ist eine Arbeit, bei der man Geduld haben muss. Und einen langen Atem. Letztendlich ist es alles Beziehungsarbeit. Die Kinder bringen einfach zu viel mit. Den Erfolg erkennt sie beispielsweise daran, dass sich manchmal Schüler von früher bei ihr melden, die sich noch nach Jahren daran erinnern, was sie ihnen vermittelt hat. »Wichtig ist, dass die Kinder Verantwortung für sich übernehmen und für das was sie tun. Ich freue mich, wenn das Kind sich unterstützt fühlt und viel Vertrauen hat.« Geteiltes Leid sei halbes Leid, das sage sie auch den Schülern. Dabei komme es nicht immer auf eine Lösung an. »Manchmal ist es so, dass sie sich mitteilen und gehört werden wollen.« Dafür ist sie prädestiniert: »Mein Gespür für Menschen und meine Geduld und Erfahrung«, nennt sie auf die Frage, was sie auszeichnet.

Kay Tangermann betreut ihre an Demenz erkrankte Mutter, die sie bewundert: »Sie hat uns vier Kinder allein großgezogen, dafür gesorgt, dass wir alle eine Ausbildung gemacht haben. Sie ist ziemlich stolz auf uns.« Die Geschwister haben guten Kontakt untereinander, die Familie bedeutet ihr viel. Aber auch ihre Freundinnen sind Kay Tangermann wichtig. Immerhin 15 Jahre hat sie in Wohngemeinschaften gelebt, einige der damals entstandenen Freundschaften halten bis heute. »Ich koche sehr gern«, verrät sie. »Ich lade mir gern Gäste ein oder werde eingeladen.«

Wenn sie in eineinhalb Jahren in den Ruhestand geht, wird die Katzenliebhaberin auch Zeit für einen Hund haben. Bei Reisen beschränkt sie sich auf Ziele in Deutschland – Hauptsache, es ist Wasser in der Nähe. Zuletzt war sie auf der Insel Poel. Ansonsten schätzt sie Tagesausflüge an Nord- und Ostsee. Einen weiteren Ausgleich zum Beruf findet sie bei Waldspaziergängen. »Die Luft, die Bewegung, die Geräusche, die man wahrnimmt, das tut einfach nur gut.« Außerdem näht sie leidenschaftlich gern. »Kulturtaschen, kleine Geschenke, Mäntel, Hosen – wenn ich nähe, ein Stück Stoff vor mir liegen habe, etwas daraus machen kann, wird mein Kopf frei.«

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