Menschen bei uns

Gerd Jahnke zwischen Existenzängsten und Liebe zum Beruf

, von Imke Kuhlmann

Inmitten der Schafe glänzen die Augen des Schäfers Gerd Jahnke

Wentorf – Nicht einmal mehr 1000 Berufsschäfer gibt es in Deutschland. Ein Beruf, der für viele das Bild der großen Freiheit draußen in der Natur widerspiegelt. Auch für Gerd Janke war es sein Traumberuf. Die Leidenschaft dafür hat er nicht verloren, doch die Rahmenbedingungen machen ihm so manches Mal das Leben schwer.

Der 59-jährige hat zunächst Landmaschinenmechaniker gelernt. Schon sein Vater liebte die Schafzucht, die dieser noch im Nebenerwerb betrieb. Für Gerd Jahnke war schon in jungen Jahren klar, er wollte Schäfer werden, nicht nebenbei, sondern im Haupterwerb. Seiner ersten Ausbildung schloss er daher eine Lehre als Tierwirt mit der Fachrichtung Schäferei an und übernahm später die Zucht seines Vaters. Aus dem Nebenerwerb wurde Haupterwerb. Jahnke liebt jedes seiner inzwischen 1.700 Tiere. 500 von ihnen sind die bekannten grau gehörnten Heidschnucken. Das Haar dieser Schafe ist gräulich und extrem lang.

Er kann jedes einzelne Tier voneinander unterscheiden. »Ich erkenne sie am Gesicht«, sagt er. Doch einen Namen habe er ihnen nicht gegeben. Der Beruf hat für ihn auch heute noch etwas Besonderes. »Die Schafe sind tolle Tiere«, sagt er. Sie seien sehr anpassungsfähig und das Zusammenspiel mit den Hunden sei großartig. Dass er sich immer wieder von den Tieren trennen muss, um sie zu verkaufen, ist für den Schäfer in Ordnung. »Das habe ich mit der Zeit gelernt«, sagt er. Damit verdiene er sein Geld. Viel sei es nicht, aber er könne noch davon leben, wenn es auch zunehmend eng würde. Erst recht, wenn die Wölfe wieder den Bestand dezimieren.

Früher sei das Gefühl von Freiheit noch stärker gewesen, das ihn so faszinierte. Doch inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen verschärft, so dass es schwieriger würde, über die Runden zu kommen. Sein Geld verdient er mit dem Verkauf von Lämmern, aber auch von ausgewachsenen Schafen. Ein bis zwei Lämmer gebärt ein Mutterschaf pro Wurf. Normalerweise werfen sie einmal im Jahr. »Von 100 Mutterschafen bekommen wir im Schnitt 150 Lämmer«, berichtet Jahnke. Die Wolle sei in Deutschland nicht mehr viel wert. »Die australische Wolle ist in der Qualität besser, da es dort nicht so viel regnet«.

Doch seine größte Sorge bereiten ihm die Wölfe. Die steigende Zahl der Raubtiere, die in Deutschland eine durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Tierart sind, bedrohe die Existenz der Schäfer. Im letzten Jahr wurden 109 seiner Schafe von Wölfen gerissen, in diesem Jahr waren es bis jetzt 34. Eingreifen kann er nicht. Schon des Öfteren wurde er von Tierschützern angegangen, weil er seine Schafe schützen möchte. Lediglich der Schutz durch seine Hütehunde ist erlaubt. Doch die könne er auch nicht rund um die Uhr bei den Herden lassen. In der Lohe seien die Schafe noch nicht von Wölfen heimgesucht worden.

Fünf Schäferhunde besitzt er. Sie alle wurden von ihm speziell zum Hüten ausgebildet. Einmal im Jahr nimmt er mit ihnen am Bundeswettkampf Leistungshüten teil. Schäfermeister Gerd Jahnke aus Eimke, war bereits schon zweimal Bundessieger. Auch in diesem Jahr nahm er die goldene Schippe, die den Sieger ehrt, mit nach Hause. Seine Hütehunde züchtet er seit Jahren selber. »Die Hunde müssen gut parieren«, sagt er.

Seit 1984 stehen seine Schafe in der Lohe. Anfangs noch die ganze Herde, doch mit der Übernahme der Lohe durch die Stiftung Naturschutz haben sich Gegebenheiten geändert. Darum steht nun ein Teil der Herde am Elbdeich. Die teilweise veränderte Pflanzenwelt im Nationalen Naturerbe Wentorfer Lohe liefere nun anderes Futter für die Tiere, das sich für die Lämmer nicht eigne. Diese kommen daher nicht mehr mit in das Gebiet. Tragende Tiere werden zum Ablammen in den Stall gebracht. Von Oktober bis April werden die Lämmer geboren.

Täglich kümmert sich Jahnke um die Futtervorräte. Auf gepachteten Flächen mäht er das Gras für das Winterfutter, schaut dann täglich nach den Tieren und bringt ihnen Wasser – im Sommer bis zu dreimal am Tag. Regelmäßig bringt er die Tiere zu neuen Weideflächen, wenn alles abgegrast wurde. »Das typische Bild vom Schäfer gibt es nicht mehr«, sagt Jahnke. Doch tief in seinem Herzen bleibt es sein Traumberuf.

Nun will seine Tochter Verena (31) in seine Fußstapfen treten. Ihren Bürojob hat sie bereits an den Nagel gehängt und macht ebenso eine Ausbildung zur Schäfermeisterin. »Ich konnte sie nicht davon abhalten«, so Jahnke, der auch einen Sohn hat.

In seiner Lebenssituation schwankt er immer wieder zwischen Frust über die schwierigen Bedingungen und der Freude am Beruf. »Ich will nicht jammern«, sagt er. Und so strahlt er trotz aller Sorgen, wenn er seinen Blick zu den Schafen wendet. Das Zusammenspiel in der Natur mit den Schafen und den Hunden lässt ihn dann zeitweise die Sorgen vergessen.

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