Menschen bei uns
Menschen unterschiedlichen Glaubens Begegnungsräume schaffen für Gespräche
, von Imke Kuhlmann
Schönningstedt – 1970 wurde Siaquiyah Davis in Liberia (Westafrika) geboren. Seit Februar dieses Jahres ist er nun Pastor in der Ev. St.-Ansgar-Gemeinde in Schönningstedt-Ohe. Er hat in Liberia Theologie studiert. Sein weiteres Studium führte ihn an ein ökumenisches Institut nach Bosse in die Nähe von Genf in der Schweiz. An der Universität Birmingham in England absolvierte er seinen Master in Theologie. Berufliche Erfahrungen sammelte der Familienvater in Schönefeld, Altona und Norderstedt bis er im Februar dieses Jahres die Teilzeitstelle in Schönningstedt annahm. »Ich möchte den Glauben zusammen mit den Gemeindemitgliedern erleben«, sagt er. Doch darauf muss er noch warten. Die Corona-Pandemie hat ihm den Start in der neuen Gemeinde durch die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten schwer gemacht. Anfangs gab es nicht einmal Gottesdienste, von Treffen mit Gruppen oder Einzelpersonen ganz abgesehen. Alles andere als das, was Davis möchte. Erschwerend käme hinzu, dass er nicht in der Gemeinde lebe. Mit seiner Familie lebt er in Lurup. Rund eineinhalb Stunden dauert sein Arbeitsweg aus Hamburgs Norden. Davis beklagt dies nicht, sieht aber durchaus den Vorteil, als Pastor in der Gemeinde zu leben.
In seinem Heimatland ist er eng mit dem christlichen Glauben aufgewachsen. »Täglich mussten wir schon als kleine Kinder beten, morgens und abends«, berichtet er. Als er heranwuchs begleiteten Bürgerkriege in seinem Geburtsland sein Leben. Als Siaquiyah Davis auf das Gymnasium kam, wuchsen seine Zweifel an Gott. »Die Religion hatte für mich zu der Zeit keine Bedeutung. Ich konnte nicht verstehen, dass ein Gott zulässt, das Kinder sterben müssen«, so der 50-jährige. Die »Theodizee-Frage« habe ihn seither beschäftigt. Theodizee beschäftigt sich mit der Gerechtigkeit Gottes und der Suche nach einer Antwort, wie das Leiden damit zu vereinbaren sei, dass ein Gott sowohl allmächtig als auch gut sei.
Beruflich wollte er damals eher den Weg in Richtung Naturwissenschaften einschlagen, vielleicht sogar Mediziner werden. »Mir lagen die Fächer«, sagt er. Doch gesteuert von seiner unbeantworteten Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, fesselten ihn die Philosophie-Bücher der Schulbibliothek. »Feuerbach, Nietzsche, ich habe sie alle verschlungen«, sagt er. »Für einen Schüler meines Alters durchaus auch kritische Lektüre«, so Davis.
Im Jahr 1990 wurde er zu einen Gottesdienst eingeladen und er ging hin. Das sollte die Wende in seinem Leben werden. »Ich erlebte einen Pastor, der eine großartige Predigt sprach«, sagt er. Ich verstand nun, dass Gott uns helfen will aber nicht für alles verantwortlich ist«, so der Theologe. Und so begann er nach Abschluss des Gymnasiums im Jahr 1994 mit dem Studium der Theologie.
In Bayern lernte Siaquiyah Davis seine heutige Frau kennen und kam der Liebe wegen 2009 nach Hamburg. Sie beide verbindet auch der Beruf. Seine Frau Katharina ist ebenso im pastoralen Dienst. Sie arbeitet im Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche.
Davis ist Vater von vier Kindern, einer 26 Jahre alten Tochter und drei Söhnen im Alter von fünf und Zwillingen mit acht Jahren. Siaquiyah Davis ist voller Überzeugung in Teilzeit tätig. »Wir haben drei kleine Kinder«, sagt er. Beide können dann nicht in Vollzeit unterwegs sein.
Er selbst ist mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Als Ältester musste er auf den Straßen Eier und gebratenen Fisch verkaufen, um Geld für die Schulbesuche aller Kinder zu verdienen. Das Einkommen seiner Eltern reichte dafür nicht aus. Dennoch sorgten sie dafür, den Kindern eine gute Schulausbildung zu ermöglichen.
Der Kontakt mit den Menschen hat für ihn eine große Bedeutung, das wurde ihm schon in die Wiege gelegt. »Die Menschen brauchen jemanden, der ihnen zuhört«. Und er möchte den Menschen vermitteln, warum der Glaube wichtig ist für unser Leben. »Wir suchen immer nach Antworten. Kirche ist Gemeinschaft und es gibt immer jemanden, der uns begleitet«.
Aber in der Gemeinschaft erlebt er auch Rassismus. Darum engagiert er sich in der Nordkirche in zwei Projekten. »Rassismus – kritische Perspektive auf Kirche und Diakonie heißt einer der Qualitätszirkel«, so Davis. Denn Rassismus gäbe es auch im kirchlichen Umfeld. Dort stellt er sich mit der Arbeitsgruppe der Frage, was Kirche gegen Rassismus tun kann und wie sich die Kirche und damit auch die Gemeindemitglieder interkulturell öffnen können. In einem zweiten Projekt geht er der Frage nach, wie Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammen ins Gespräch kommen können. »Theologie und Ökumene«, so der Name dieses Zirkels. Verständnis füreinander zu entwickeln und Begegnungsräume zu schaffen, so könnten beispielsweise Wege dazu aussehen. »Kirche ist bunt«, sagt er und will sich für ein interkulturelles, interreligiöses und interkonfessionelles Denken stark machen und zwar innerhalb wie auch außerhalb der Kirche.
Manchmal vermisse er ein wenig Leichtigkeit in Deutschland, so wie er es aus Liberia kenne. Doch im Grunde schlügen zwei Herzen in ihm. Er lebe gern in Deutschland. »Wenn ich auf den Schalter drücke geht das Licht an, die Menschen sind verlässlich«, sagt er. Aber seine afrikanischen Wurzeln spüre er eben auch.
Ab und an gibt es Siaquiyah Davis auch privat. Dann joggt der engagierte Familienvater einige Runden durch Hamburg, spielt Tischtennis oder Schach und geht gern auch mal mit seinen Kindern aufs Fahrrad.