Menschen bei uns

»Nur gemeinsam sind wir wirklich stark!«

, von Imke Kuhlmann

Die Leidenschaft zum Theater wurde Nevenka Erdmann bereits in die Wiege gelegt. FOTO: Imke Kuhlmann

Wentorf – Seit 1979 ist die 73-jährige Mitglied im Ensemble der Wentorfer Bühne und somit von der ersten Stunde an dabei. Im letzten Jahr feierte sie ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. »Ich wurde dafür vom Bund deutscher Amateurtheater mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet«, sagt Nevenka Erdmann. Das gäbe es nicht häufig. Ein wenig Stolz schwingt mit, wenn sie davon berichtet, obwohl das größte Glück für sie ist, auf der Bühne zu stehen.

An die Anfänge ihres Schauspielerdaseins erinnert sie sich genau. Durch eine Anzeige in einer regionalen Tageszeitung erfuhr sie von der Gründung einer Laienspielgruppe in Wentorf durch den Chorleiter Dr. Hans Bittner. »Es gab viele Interessierte«, erinnert sich die vielseitige Darstellerin. Sie zögerte nicht, meldete sich und realisierte einen Lebenstraum. Nahezu 300 Aufführungen hat es seit der Gründung gegeben. 20 Mitglieder hat der Verein, davon 14 aktive.

Die Bühne ist ihr Leben. »Es ist pure Freude zu spielen, obwohl ich nach wie vor vor jeder Aufführung Lampenfieber habe«, sagt sie. Dem Publikum eine Freude zu bereiten und es zu unterhalten sei ihr Ansporn. Der Applaus ist für sie und das Ensemble die schönste Bestätigung. Doch nicht nur die Freude des Publikums zu erleben auch das Team bedeute ihr ganz besonders großes Glück. »Wir haben ein so schönes Miteinander und arbeiten an allem zusammen, ob Requisiten bauen, Kostüme nähen oder das Bühnenbild zu gestalten. Das mache die Gruppe aus. Und so lautet ihr Motto: Nur gemeinsam sind wir wirklich stark! Das bestätigt Doris Martin, zweite Vorsitzende der Wentorfer Bühne. »Nevenka Erdmann strahlt durch ihre langjährige Bühnenerfahrung eine so große Sicherheit aus, dass sie es schafft, mit ihrer ruhigen und immer netten Art alle mitzunehmen. Hinter der Bühne ist sie ebenso immer eine der ersten, die bei den Vorbereitungen, dem Bühnenbau oder bei der der Gestaltung der Kostüme mit dabei ist«, lobt sie die Laienschauspielerin. Streichen, tapezieren, nähen, Nevenka Erdmann bringt sich bei allem, rund um das Theaterstück ein. »Alles gemeinsam zu organisieren ist es, was uns so verbindet«, sagt sie.

Schon während der Schulzeit begann Nevenka Erdmann Theater zu spielen. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr wuchs sie in Slowenien auf. Dann ging es mit der Familie nach Bayern, wo sie später Musik studierte. Doch trotz eines abgeschlossenen Studiums blieb die Kunst nur eine Leidenschaft. Nevenka Erdmann heiratete, bekam zwei Töchter und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung. In den ersten Jahren war es oft ein Spagat zwischen Kindern, Beruf und Laienspieltheater. »Meine Kinder kamen oft mit und fanden es toll, ihre Mutter auf der Bühne zu sehen«, erinnert sie. Ihr berufliches Leben führte sie in den Buchhandel und später in das Sekretariat eines Golfclubs. 1998 zog sie von Wohltorf nach Wentorf. Der Wentorfer Bühne blieb sie immer treu.

Die Leidenschaft zum Theater wurde ihr bereits in die Wiege gelegt. Schon ihre Mutter spielte Theater und war Sängerin, ihre älteste Tochter ist ebenso Opernsängerin in der Schweiz. Sie selber hatte nie den Mut, die Schauspielerei professionell zu betreiben. Umso glücklicher ist sie, dass ihr geheimer Traum durch das Laienschauspiel wahr wurde. Auch wenn der Text schon sitzt, übt sie täglich ihre Einsätze. Sie will ganz sicher sein.

Ob Elfe, Mörderin, Liebhaberin oder Dienstmädchen, jedes Stück hat für sie ihren Reiz. »Ich spiele alles gern«, sagt sie. Ob bei »Peterchens Mondfahrt«, »Mörderstund ist ungesund« oder dem neuen Stück »Wer krank ist, muss kerngesund sein«, das noch bis zum Beginn der Corona-Pandemie für dieses Jahr einstudiert wurde. Doch der Virus machte auch hier eine klare Entscheidung notwendig und die Aufführungen für Mai und Juni wurden abgesagt. »Natürlich bin ich darüber sehr traurig, doch die Absage ist natürlich richtig«, sagt die Theaterliebhaberin.

Die kulturfreie Zeit, bedingt durch Covid 19, stellt die leidenschaftliche Schauspielerin auf eine harte Probe. Die Hoffnung, dass zumindest das Weihnachtsmärchen stattfinden kann, hat sie noch nicht aufgegeben. »Wir sind ja immer ruckzuck ausverkauft«, sagt sie. Im letzten Jahr spielte Nevenka Erdmann »Anemona, die Frühlingsfee«. Für Kinder zu spielen sei ganz besonders, die Reaktionen kommen prompt und ungefiltert. »Verschwinde von der Bühne«, hört sie dann mal aus dem Publikum, wenn sie einen Bösewicht spielt. In klassischen Stücken sei das nicht der Fall. »Da ist das Publikum wie die vierte Wand.« Dann sei sie ganz auf ihre Rolle konzentriert.

Nevenka Erdmann ist selber Großmutter. Ihre beiden zehnjährigen Enkelkinder leben in Rahlstedt, doch auch die kann sie gerade nicht sehen, denn natürlich hält sich die Familie an das Kontaktverbot. In der Vergangenheit saßen die zwei schon öfter im Publikum, wenn die Großmutter auf der Bühne stand.

Doch nicht nur ihre Familie fehlt ihr. »Ich vermisse die Menschen, das Team«, sagt sie. Doch sie würde mit dem Theaterteam im Kontakt bleiben. Es gibt ja noch das Telefon. In der Zwischenzeit beschäftigt sich Nevenka Erdmann mit Basteln, Stricken oder Spazierengehen. Doch das Leben ohne die Bühne ist für sie eine große Herausforderung.


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