Menschen bei uns

Ein Rezept gegen Alleinsein

, von Imke Kuhlmann

Eveline Krebs schreibt an ihrer Biographie und beschäftigt sich mit Ahnenforschung. Aber sie hält auch alle Gerichte fotografisch fest und hat dafür extra ein kleines Buch angelegt. FOTO: Imke Kuhlmann

Wentorf – Vor knapp vier Jahren wurde die Kochgruppe der Wentorfer Kirchengemeinde ins Leben gerufen. Pastor Michael Galle, der damalige Pastor hatte die Idee dazu und holte sich Eveline Krebs ins Boot. Und obwohl sie gar nicht gerne kocht, war sie gleich von der Idee begeistert und hat die Organisation in die Hand genommen. So achtet sie auf die Finanzen, lädt ein, ist Ansprechpartnerin für Gäste und dekoriert liebevoll den Tisch, während die anderen vier Damen in der Küche der Kirchengemeinde die Kochlöffel schwingen. Sie alle sind selber bereits Senioren, doch auf dem Sofa zu sitzen, ist für sie keine Option.

Die 79-jährige ist Mutter zweier erwachsener Kinder und Großmutter dreier Enkeltöchter. Seit dem Jahr 2001 ist sie Rentnerin, für sie alles andere als Ruhestand. Die Kirche hatte für die ehemals kaufmännische Angestellte immer eine besondere Bedeutung. Mit dem Eintritt in das Rentenalter war ihr klar, sie möchte etwas tun, anderen etwas geben und gebraucht werden. »Senioren brauchen das Gespräch, den Kontakt«, sagt sie. Mit der Kochgruppe ist nicht nur das gemeinsame Essen viel schöner, auch der persönliche Austausch kommt nicht zu kurz.

Kochen steht nicht ganz oben auf der Liste der Lieblingsbeschäftigungen von Eveline Krebs. »Ich tapeziere lieber. Für meine Familie habe ich schon gekocht und manchmal backe ich eine Herrentorte oder koche Quittengelee«, sagt sie. Aber weiter reiche ihre Leidenschaft für das Zubereiten von Speisen nicht. Da sind es eher das Nähen, Fotografieren oder das Schreiben ihrer Biografie, die zu ihren Steckenpferden gehören. Und natürlich werden auch die Gerichte alle fotografisch festgehalten. Sie hat dafür extra ein kleines Buch erstellt. »Am 7. Juli dieses Jahres wollten wir das vierjährige Bestehen feiern«, sagt sie. Ob das was wird, steht noch in den Sternen.

Senioren liegen Eveline Krebs am Herzen. So hat sie sich schon vor Jahren in die Senioren-gruppe der Kirche eingebracht, begleitet die neu ins Leben gerufenen Geburtstagsfeiern für ältere Gemeindeglieder und engagiert sich beim Seniorennachmittag in der »Alten Schule«. Im Seniorenausschuss der Kirche bringt sie sich mit Ideen für das Unterhaltungsprogramm ein. »Letztes Jahr haben wir ein Lutherspiel inszeniert, mit Text, Kostümen und selbst erstellten Ablassbriefen«, so Krebs. Aber auch Stuhlgym-nastik oder Vorträge stünden auf dem Programm.

Doch der Kochgruppe gilt ihr besonderes Interesse. Sie organsiert, die anderen kochen. »Es hat sich in den vier Jahren noch nie ein Gericht wiederholt«, sagt sie stolz. Und ihre Augen strahlen, wenn die Senioren kommen und sich auf das köstliche Essen und die Gespräche freuen. »Ich weiß, dass viele Menschen im höheren Alter einsam sind«, so Eveline Krebs. Ihr sei bewusst, dass Einsamkeit Menschen unglücklich macht und sich Menschen oft einfach danach sehnen, dass ihnen jemand zuhört. Dazu soll die Kochgruppe beitragen.

Eveline Krebs und die Köchinnen lernten sich in der Trauergruppe der Kirchengemeinde kennen, sie alle haben ihre Lebenspartner verloren und nun eine Gemeinschaft und eine Aufgabe gefunden, die sie erfüllt. Jede bringt sich liebevoll mit ein. So näht Eveline Krebs die Tischsets und Servietten kurzerhand selber. Die anderen Damen bestimmen das Menü und kaufen ein. Beim Auswählen der Rezepte wechseln sich die Damen ab, wer die Rezeptkrone aufhat, kauft ein und wer kein Auto hat, nimmt den Einkaufstrolley oder bittet eine der anderen Damen um einen Fahrdienst. Einmal im Monat treffen sich die emsigen Köchinnen, immer am zweiten Donnerstag, im Gemeindehaus. Zurzeit müssen aber zum Bedauern sowohl der Organisatorinnen als auch der Gäste diese Termine bis auf weiteres ausfallen.

Die Warteliste der Gäste ist lang, doch der Kreis der Teilnehmer bleibt klein. Nur fünf Senioren werden eingeladen, damit die Gruppe überschaubar und die Gespräche intensiv bleiben. Fünf Euro Kostenbeitrag muss jeder leisten. Eveline Krebs sorgt dafür, dass jeder drankommt und es gerecht zugeht. »Alle sind immer begeistert und es schmeckt ihnen«, sagt sie.

Das Menü bleibt jedes Mal eine Überraschung, nur eins ist sicher, kreativ ist es. Zum Beispiel, wenn es Erbsensuppe mit Minze, Auflauf mit Kasseler und Gemüse und zum Nachtisch Organgenquark mit Joghurt und Blaubeeren gibt. Um elf Uhr geht es immer los, dann wird geschält, geschnippelt, gerührt, gekocht und zubereitet. Jede ist ganz in ihrem Element. Um halb eins steht dann das Essen auf dem schön dekorierten Tisch. Reklamationen hat es bislang noch nicht gegeben.

Mit dem Ehrenamt in der Kirche und ihrer Wohnung in Wentorf, in der sie übrigens seit 40 Jahren lebt, hat Eveline Krebs ihr Zuhause gefunden. Und wenn dann noch etwas Zeit bleibt, beschäftigt sie sich mit der Ahnenforschung. »Ich bin schon im Jahr 1738« sagt sie, immer mit einem Lächeln im Gesicht.

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