75 Jahre Kriegsende – Frieden

Die Tage um das Kriegsende in Aumühle

, von Lothar Neinass

Aumühle – Am 24. März 1945 wurde ein offizieller »Ortsverteidigungsplan« für Aumühle von der NSDAP-Ortsgruppe aufgestellt. Vom Bau fester Panzersperren wurde abgesehen, da sie nach Meinung militärischer Sachverständiger keinen wirksamen Schutz bringen würden. Straßensperrung im Wald und in der Feldmark würden leicht zu umfahren sein. Als eine wirksamere Lösung gab es Pläne, alle Brücken an der Aue und der Bille zu sprengen, sobald der Feind nahe genug herangekommen sei. Ebenfalls gesprengt werden sollte der Eisenbahntunnel im Bereich Krim. Zwei Aumühler, Konrad Hüseler und Ernst Koch sowie für Friedrichsruh Forstmeister Tech wurden als »Kampfkommandanten« eingesetzt. Auf dem Bismarck-Turm war ein ständiger Beobachter stationiert. Nicht zum Ortsverteidigungsplan gehörte die Eisenbahnbrücke über die Bille.

Da die Gemeinde durch Panzersperren nicht wirksam verteidigt werden konnte, hat man an verschiedenen Stellen »Verteidigungspunkte« vorgesehen. Die Verteidigungspunkte sollten von einem Ringgraben umgeben sein. Zusätzlich sollten Panzerdeckungslöcher ausgehoben werden. Solche Verteidigungspunkte waren unter anderem vorgesehen an der Kreuzung am Holzhof, am Orteingang von Wohltorf in Höhe des Friedhofes und auf dem Lehmberg an der Alten Hege. Der Hohlweg in Friedrichsruh beim Mausoleum sollte durch an den Hängen gefällte Bäume gesichert werden.

Der Ortsverteidigungsplan ist nie umgesetzt worden, obwohl die Front immer näher kam.

In den letzten April-Tagen flogen immer wieder Tiefflieger entlang der Eisenbahnstrecke Hamburg-Berlin. Ihre Geschosse trafen den Eisenbahntunnel, die Sparkasse, die Post und ein Privathaus an der Dora-Specht-Allee. Erstaunlicherweise wurde das Bahnhofsgebäude nicht getroffen. Personen wurden nicht verletzt oder getötet.

Den schwersten Luftangriff in den letzten Kriegstagen flogen die englischen Bomber am 29. April 1945 in Friedrichsruh. Zwei britische Jagdbomber griffen das Schloss in Friedrichsruh an. Das Schloss wurde weitgehend zerstört. Durch den Angriff kamen der Schweizer Generalkonsul Adolf Zehnder und seine Ehefrau Else sowie die Hausangestellte Else Schuldt ums Leben. Es wird vermutet, dass der Angriff dem SS-Führer Heinrich Himmler gegolten hat, der aber nicht in Friedrichsruh war.

Beim Löschen des Brandes haben die russischen Zwangsarbeiter geholfen, die in Aumühle in der Bauernstube untergebracht waren.

Es herrschte eine angespannte Situation. Der immer lauter werdende Geschützdonner zeigte, dass die Front von der Elbe her an Aumühle heranrückte.

In Aumühle schien am 1. Mai noch alles in Ordnung. Die Feier zum 1. Mai wurde wie immer durchgeführt. Ein Zeitzeuge berichtet, dass sich am Gemeindebüro neben dem Bismarck-Turm rund 100 Personen versammelt hatten: »Wohl 30 bis 40 Hitlerjungen, ein paar Pimpfe vom Jungvolk und einige BDM-Mädchen. Der Rest sind einige SA-Leute in Uniform und Parteigenossen in Zivil. Jemand in Uniform hält eine Rede über den bevorstehenden Endsieg. Dann wird das Horst-Wessel-Lied gesungen und mit einem ‚Sieg-Heil‘ auf den Führer wird die Kundgebung beendet.«

Die größte Gefahr für die Bevölkerung drohte durch eine Gruppe Marine-Soldaten, die Aumühle mit ein paar Gewehren und Panzerfäusten verteidigen wollte. Am Vormittag des 2. Mai wurde zwischen einigen Aumühlern und den Marine-Soldaten hart verhandelt. Die Soldaten drohten damit, die Zivilisten als Verräter zu erschießen. Denen war klar, dass, wenn die Engländer bei ihrem Vormarsch von den Soldaten angegriffen werden sollten, die britische Artillerie Aumühle beschießen würde. Schließlich ließen sich die Marine-Soldaten dazu zu bewegen, nach Hamburg abzuziehen. Sie verzichteten auch auf die Sprengung der Eisenbahnbrücke über die Bille, in die sie bereits zwei große Sprenglöcher geschlagen hatten. Bahnhofsvorsteher Max Schulz hatte die Sprengung immer wieder verhindert, da er angeblich noch einen Munitionszug nach Berlin durchlassen müsse. Doch der Zug ist niemals gefahren.

So konnten drei mutige Männer am späten Nachmittag des 2. Mai den Engländern durch den Sachsenwald entgegen gehen, um zu berichten, dass es in Aumühle keine Soldaten gäbe und sie mit keinem Widerstand rechnen müssten.

Die Unterhändler waren Gustavo de Vivanco, Walter Schütte und Otto Schorr.

Sie gingen den von Geesthacht kommenden Engländern durch den Sachsenwald entgegen. Den jungen Otto Schorr haben die beiden Familienväter unterwegs nach Hause geschickt. Schütte und de Vivanco konnten die Engländer davon überzeugen, dass eine Besetzung Aumühles friedlich verlaufen würde. Die beiden Unterhändler mussten die britischen Soldaten nach Aumühle und bei der Durchsuchung des Ortes begleiten.

Am frühen Abend konnten sie dann zu ihren Familien zurückkehren, die voller Sorge und Anspannung auf sie gewartet hatten.

In ihrem Buch »Ausgebombt« beschreibt Ilse Grassmann ihre erste Begegnung mit den britischen Soldaten, die mit Lastwagen von der Börnsener Straße und der Straße Vor den Hegen kamen. Neben den Fahrzeugen gingen Soldaten mit dem Gewehr im Anschlag.

Als sie die Familie Grassman im Garten sahen, kamen drei Soldaten über den Zaun zu ihnen. Ilse Grassmann wurde aufgefordert, mit einem der Engländer ins Haus zu gehen und ihm zu zeigen, dass sich dort keine deutschen Soldaten versteckt hatten.

Nach der Inspektion von Haus und Garten durchsuchten die Briten die Nachbarhäuser und -gärten. Für die Aumühler ist der Krieg am 2. Mai 1945 friedlich zu Ende gegangen.

Grundlage für den Bericht sind Aufsätze im Gemeindearchiv, Gespräche mit Zeitzeugen und zahlreiche Zeitungsberichte.


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