Schüler verbreiten Nazi-Symbole

Nächtliche Schatten

, von Hartmuth Sandtner

Reinbek – Die Sachsenwaldschule, die sonst mit Winterkonzerten und Hausmusikabenden in der Zeitung von sich reden macht, fand sich dieser Tage mit fast gleichlautenden großen Überschriften (»Schüler verbreiten Nazi-Symbole«) in den hiesigen Titeln der Funke-Medien gespiegelt. Nach Einsicht in einen Chatverlauf einer Lerngruppe einer Oberstufenklasse hatte die Schule festgestellt, dass einzelne Schüler dort »menschenverachtende, frauen- und fremdenfeindliche, verfassungswidrige und zur Gewalt gegen Minderheiten aufrufende Bilder« verbreiteten. Die Schule hat daraufhin – wie sie in einem an alle Eltern der Schule und ihre Kinder geschriebenen Brief ausführt – »alle notwendigen Schritte eingeleitet, insbesondere die Schulaufsicht, das Bildungsministerium sowie die Polizei eingebunden«, die Eltern in ihrer Verantwortung für den Umgang ihrer Kinder mit Smartphones bis zur Volljährigkeit in die Pflicht genommen und an die Unantastbarkeit der Würde des Menschen erinnert. Und natürlich wurde auch mit den Schülern der betroffenen Klasse gesprochen. Soweit die Fakten.

Wie alt mögen die Schüler sein, die in der Lerngruppe zusammen gearbeitet haben? Vielleicht 17? Mit 17 ist Siegfried Lenz der NSDAP beigetreten. Was man ihm heute in Hamburg noch nachträgt und keine Straße nach ihm benennen will. In dem Alter können nicht alle Greta sein. Ist es nicht das eigentliche Anliegen der Schule, die ihr anvertrauten Schüler peu à peu zu einer wie auch immer benannten Reife zu ertüchtigen? Wollen wir das, was eigentlich in die Mauern und in den Schutz der Schule und ihrer Pädagogen gehört, jetzt immer nach draußen tragen? Straftat hin, Straftat her.

In Frankreich ist vorletzte Woche »Libres d’obéir« (Frei zu gehorchen), ein Essay des Historikers Johann Chapoutot über Reinhard Höhn erschienen, den Gründer des Harzburger Modells und ehemaligen SS-General, der ganz stickum zum Management-Guru mutierte. Es zeigt, wie nahe sich Nazi-Ideologie und moderne Unternehmens­führung in vielerlei Hinsicht sind. In den Jahrzehnten bis zu dessen Tod 2000 wurden schätzungsweise über 600.000 unserer heute noch tätigen Entscheider in allen namhaften Firmen, in Verwaltungen – und bis Anfang der 70er Jahre auch in der Bundeswehr (bis Helmut Schmidt das unterband) – ausgebildet. Das hat über viele Jahrzehnte hinweg niemanden interessiert und gestört.

Haben wir noch ein Gefühl für die Verhältnismäßigkeit unserer Mittel, die wir ansetzen? Hätte es nicht auch eine Nummer kleiner sein können?

Die Jugend hat immer mal wieder ein quasi »seismografisches« Gefühl dafür, mit welchen Dingen die manchmal dröhnende Tristesse unseres Gesellschaftssystems aufgepeppt werden kann und hält damit die Erinnerung wach an das, was wir alle lauthals verpönen.

Oder quält die Seele meiner alten Schule, die noch in diesem Jahrzehnt ihren 100. Geburtstag feiern wird, das Gefühl, noch etwas aufarbeiten zu müssen?

Die Gedanken sind frei.