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»Wir Menschen sind trivial.«

, von Hartmuth Sandtner

Das sagt Angela Merkel im spiegel-Interview vom 26.11.22, die mit vielen Menschen schon gesprochen hat, mit sogenannten »Guten« wie mit sogenannten »Bösen«. Mit Nobelpreisträgern ebenso wie mit schlichteren Naturen, mit dem Papst ebenso wie mit Trump, mit Putin, aber auch mit einer Königin Elisabeth.  »Es geht immer auch um Menschen, das ist vielleicht trivial. Aber wir Menschen sind trivial.«, sagt Merkel.

Als ich das las, wurde ich spontan an ein ZEIT-Rezept erinnert: »Kartoffelsuppe a’ la Merkel«? Mit 2 kleinen Zwiebeln, einem Esslöffel Butter, 800 Gramm festkochenden Kartoffeln, einer Stange Lauch, 1250 ml Gemüsebrühe (oder Fleischbrühe), zwei Teelöffeln Majoran (getrocknet), 100 ml Schlagsahne, einem Teelöffel scharfen Senf und natürlich Salz. So beschrieben in der ZEIT vom 20.9.2017. Trivial und doch lecker.

Franz Alt (84, www.sonnenseite.com) kommentierte jetzt in der Zeitschrift »Solarzeitalter«, 2/2022, das Ergebnis der jüngsten Weltklimakonferenz in Ägypten: »1995 wurden global jeden Tag etwa 100 Mio. Tonnen Treibhausgase emittiert – heute sind es 180 Mio. Tonnen. Täglich. Alle wissen, dass der Planet diese Entwicklung auf Dauer nicht aushalten kann. Aber alle machen weiter, obwohl auch alle wissen, dass es dann nicht weiter gehen kann.« Trivial. WIR alle machen weiter. Zumindest die Mehrzahl. Trotz Baerbock und Habeck und ihrer schönen Reden. Ich meine die VOR der Wahl. Nun machen die ja auch nichts. Im Gegenteil. Die sind inzwischen zu »Menschenrechts-Bellizisten« geworden, meint Antje Vollmer, Mitglied der Grünen seit 1985, im der Freitag v. 24.11.22.

Haben Sie davon gehört, dass sich die Aktivisten der »Letzten Generation« auch an die Konzertbesucher der Elbphilharmonie gewandt haben? Diese Gruppierung zerrt und rüttelt kräftigst an unserer »toxischen Gemütlichkeit«, eine interessante Gesellschaftsdiagnose von Pepe Egger im der Freitag v. 17.11.22. Er behandelt darunter mit der Überschrift »Es liegt in der Luft« das Problem, dass Heizen mit Holz in dieser Krise boomt nach der trivialen Denke: »Da verbrennt ja nur, was nachwächst.« Aber diese Rechnung geht nicht auf. Pepe Egger: »Die Gemütlichkeit der lodernden Holzscheite im Ofen hat eine toxische Kehrseite«. Lt. Hamburger Abendblatt v. 1.12.22 lässt Henstedt-Ulzburg Bürger im Wald Brennholz sammeln. WWF und NABU warnen. Die »Letzte Generation« wendet sich gegen die Lethargie unserer Gesellschaft, wenn zu notwendigster Ver-
haltensänderung aufgefordert wird. Die Aktivisten in der Elbphilharmonie fragten: »Wollen wir wirklich unseren Kindern die Lebensgrundlage nehmen, weil es zu bequem ist etwas zu ändern?« – Was war von den lautesten Besuchern die Reaktion? »Raus!« und »Oh nee!« Auch ganz trivial. Schließlich war man hierher gekommen, um Beethovens Violinkonzert zu hören, doch noch bevor die ersten Töne erklangen, kletterten die beiden Aktivisten, eine Frau und ein Mann, auf die Bühne und klebten sich am Dirigentenpult fest. »Genau wie es nur EIN Geigenkonzert von Beethoven gibt, haben wir nur diesen EINEN Planeten, dessen Grenzen wir so sehr missachten, dass klimabedingte Katastrophen häufiger und tödlicher werden«, sagte die Aktivistin (Hier hören und sehen Sie die ganze Botschaft: bit.ly/3OFdAqD)

Eine ähnliche Aktion gab es wenige Tage später auf dem Flugfeld des Berliner Flughafens mit der Message: »Das Flugzeug ist kein Verkehrsmittel für NormalbürgerInnen. Die meisten Menschen – etwa 80% – sind noch nie geflogen. Ein wohlhabendes Prozent der Bevölkerung verursacht allein etwa die Hälfte der flugbedingten Emissionen.« Von Friedrich Merz ist dazu auf Twitter (26.11.) zu lesen: »Was diese Woche am BER passiert ist, war blanker Vandalismus. Das sind keine Klimaaktivisten, sondern Straftäter. Für diese Chaoten darf es null Toleranz geben. Ich weiß, die meisten werden im Gefängnis nicht besser. Aber solange sie sitzen, ist draußen Ruhe.« Und Jennifer Morgan, Deutschlands Klimadiplomatin und früher Chefin von Greenpeace International, lässt sich lt. großer Überschrift im Hamburger Abendblatt v. 26.11.22. zu dem Satz hinreißen: »Klimaprotest darf keine negativen Folgen für andere Menschen haben«.

Ja – wir Menschen sind trivial. Und nicht nur Merkel weiß das. Auch die Lobbyisten auf der Weltklimakonferenz: »Über 600 Vertreter der fossilen Energie-wirtschaft lobbyierten an der Konferenz in Ägypten« (republic.ch, 18.11.22). Und auch sie wissen – siehe Franz Alt – dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist.

»Es geht immer auch um Menschen«, sagt Merkel. Bei der Klimakatastrophe geht es – mal abgesehen von den Tieren und Pflanzen – NUR um die Menschen. Für unseren Planeten ist es mehr als egal, um wie viele Grad die Temperatur ansteigen wird. Aber für alles Lebendige wird das Wasser knapp werden. »Erste Vorboten davon sieht man bereits im brandenburgischen Landkreis Strausberg-Erkner«, erzählt Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der taz seit 2006, im Interview im der Freitag v. 24.11.22, »wo Zugezogene ab 2025 nur noch 105 Liter pro Tag und Kopf zugeteilt bekommen – das ist der Anfang der Rationierung.« Trivial.

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