Ukraineflüchtlinge

Wohnraum für die Geflüchteten fehlt

, von Stephanie Rutke

Reinbek – Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist nichts mehr, wie es vorher war. Immer mehr Flüchtlinge verlassen das Land, viele von ihnen suchen Zuflucht in Deutschland. Hier sind der Wunsch und die Bereitschaft zu helfen riesengroß. In Reinbek haben sich am vergangenen Mittwoch Politiker und Aktive der Flüchtlingshilfe getroffen. Gemeinsam wurde beraten, wie am effektivsten Hilfe geleistet werden kann.

Zu dem Treffen eingeladen hatten MdL Martin Habersaat und Thomas Losse-Müller, SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Gastgeberin für die Runde war Gabriela Will, Werkstattleiterin im tatwerk reinbek. Ebenfalls dabei waren Mischa Helfmann, Flüchtlingsbeauftragter im Kirchenkreis Hamburg-Ost,  E-Werk Geschäftsführer Thomas Kanitz, Schwester Luise, Flüchtlingsbeauftrage des Krankenhauses St. Adolf-Stift und Monika Schmidt, Direktorin im Kursana Oststeinbek und ihre Mitarbeiterin Natalyia Schabalin.

»Die aktuelle Situation erinnert zwar in vielem an die große Flüchtlingswelle 2015 aus Syrien, gestaltet sich aber doch anders«, erklärte Thomas Losse-Müller. »Niemand kann sagen, wie viele Flüchtlinge diesmal kommen und wie lange sie bleiben. Deutlich mehr als eine Million, vielleicht sogar drei Millionen Menschen könnten es sein.« Wie schnell sich die Zahl der Ankömmlinge in Reinbek ändert, zeigte allein der Mittwoch: Morgens waren es 61 Personen, die angekommen waren, mittags bereits 64 und am Nachmittag wurden 75 gemeldet. Sie alle brauchen ein Dach über dem Kopf und einen Ort, an dem sie Ruhe und Sicherheit finden.

Wie prekär die Lage ist, zeigen diese Zahlen: Während die Stadt am Dienstag noch acht freie Plätze zur Unterbringung für Geflüchtete hatte, gab es bereits am Mittwoch keinen einzigen Platz mehr, gleichzeitig stieg die Zahl der Ankömmlinge. Allerdings stehen noch 40 private Betten auf der Liste der Stadt.

»Wir sind gerade nur am Rennen«, beschreibt Bürgermeister Björn Warmer die Situation. Eines der größten Probleme ist fehlender Wohnraum. Selbst für die Flüchtlinge, die seit sechs Jahren hier leben, gibt es keine Wohnungen. Jetzt werden viele Neuankömmlinge erwartet und niemand weiß, wo sie untergebracht werden können. Eine Idee ist es, die Campusschule zur Unterbringung zu nutzen. Das werde aktuell geprüft, könne aber noch einige Wochen dauern, so Warmer. Klar sei auch, dass eine der Turnhallen in Anspruch genommen werden muss. Welche es ist, stehe noch nicht fest.

Von den aktuell 75 Flüchtlingen in Reinbek sind die allermeisten privat untergebracht. »Das kann nur eine vorläufige Lösung sein, betonte Warmer. Gleichzeitig sagt er: »Ich bin sehr stolz auf meine Stadt und die vielen Helfer.« Allerdings wird jetzt noch einmal deutlich, wie groß die Versäumnisse im öffentlichen Wohnungsbau sind. »Uns fällt das Versäumnis der letzten Jahre jetzt auf die Füße«, fasst der Bürgermeister zusammen. Eine so große Flüchtlingskrise und Planbarkeit – das sei schon ein Widerspruch in sich.

Überall in der Stadt gibt es Helfergruppen, die sich jetzt noch besser vernetzen wollen. »Im Krankenhaus St. Adolf-Stift stehen die Ärzte bereit, sie wollen wieder unterstützen«, so Schwester Luise. Ein Arbeitskreis für die Flüchtlingshilfe wurde gegründet und Personalchef Fabian Linke ließ ausrichten, das Interesse, gut ausgebildete Fachkräfte aus der Ukraine zu beschäftigen, sei groß. Medizinische Hilfe für die Geflüchteten leistet das Adolfstift auf Kosten des Hauses.

»Die geflüchteten Frauen wollen so schnell wie möglich arbeiten«, erklärt Natalya Schabalin, Mitarbeiterin in der Seniorenresidenz  Kursana in Oststeinbek und selbst gebürtige Ukrainerin. Sie bietet sich als Dolmetscherin an und hat privat in ihrer Dreizimmerwohnung bereits neun Flüchtlinge aufgenommen. Sie kennt Bürger, die zwar keinen Platz in der Wohnung haben, aber auf ihrem Grundstück einen Wohncontainer aufstellen lassen würden. Ihre  Idee an die Politik: Wäre es möglich, diese Bürger finanziell zu unterstützen? Grundsätzlich eine  Idee, über die man nachdenken könne, so Reinbeks Bürgermeisters.

Weitere Wohnraumangebote kamen aus der Runde: »Hier im tatwerk-Gebäude steht die komplett sanierte obere Etage mit 1200 Quadratmetern Fläche leer«, erklärt Gabriela Will. »Das wusste ich nicht, tausend Dank für diesen Tipp«, freut sich Warmer. Er hat die Information sofort an die Verwaltung weiter geleitet. In Schönningstedt soll laut SPD-Politiker Nikolaus Kern ein Gemeindehaus leer stehen. Auch der Kirchenkreis Hamburg-Ost steht als Vermittler für Wohnraum zur Verfügung. Hier laufen die Fäden beim Flüchtlingsbeauftragten Mischa Helfmann zusammen.

Für die geflüchteten Kinder sei es besonders wichtig, schnell integriert zu werden, so Martin Habersaat. Dafür sind Sprachkurse und auch Sportangebote nötig. Damit die Kinder auch weiter unterrichtet werden, könnte Online-Unterricht eine gute Lösung sein. »Diese Kinder kommen aus einem funktionierenden Schulsystem und die ukrainischen Materialien liegen vor«, sagt er. Hilfsangebote gibt es von allen Seiten: Die Volkshochschule Reinbek bereitet spezielle Sprachkurse vor und das Unternehmen »Die Hausräumer« würde bei Bedarf Wohnungen ausstatten.

Eins ist Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer besonders wichtig: »Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und es ist eine große Gemeinschaftsleistung, die hier auf die Gesellschaft zukommt.«

Im Laufe der Gesprächsrunde wird deutlich, wie wichtig Kommunikation und Netzwerke sind: Jeder kann einen Baustein beitragen, Ideen einbringen und vielleicht Lösungen finden. Für Bürger, die helfen möchten,  gibt es als zentralen Kontakt die Mailadresse ukraine@reinbek.de   Hier nehmen zwei Mitarbeiter alles auf, informieren und leiten Informationen weiter.

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