Extinction Rebellion
Der Klimawandel schickt uns die ersten Rechnungen
, von Hartmuth Sandtner
Nicht nur an der Westküste der USA und in der Tundra kämpfen die Menschen gegen die Flammen. In Australien wüteten die heftigsten Brände überhaupt und der Urwald in Brasilien und Indonesien wird jedes Jahr noch stärker abgefackelt. Das Nordpolarmeer hat die geringste Sommereisfläche seit Menschengedenken und in Sibirien bleibt die Sommertemperatur wochenlang 20 °C über normal. In Rumänien wird eine vorher fruchtbare Kornkammer gerade zu Wüste. In Bangladesch stand dieses Jahr ein Drittel der Landesfläche unter Wasser.
DR: Es brennt. Und das an vielen Orten der Welt. Viele hier in Deutschland fragen sich: Was geht uns das an?
Christian Schneider: Eines ist klar, der globale Süden zahlt den Hauptanteil der Rechnung, die uns die Klimakrise stellt. Aber es wäre blind von uns zu hoffen, uns träfe es nicht. Machen wir so weiter wie bisher, erreichen wir in etwa 10 Jahren eine durchschnittliche Temperaturerhöhung der Weltdurchschnittstemperatur von 1,5 °C, in Deutschland wahrscheinlich 3 °C. Das klingt harmlos, aber die Vorhersagen für Deutschland sind dies ganz und gar nicht. Sie sagen starke Dürre für große Teile von Nord- und Ostdeutschland voraus. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass wir in wenigen Jahren in den lokalen Medien Schlagzeilen wie diese lesen: »Großbrand in Wohngegend in Aumühle: Ein Großaufgebot der Stormarner und Hamburger Feuerwehren konnte einen Waldbrand nach 7 Tagen löschen.« Die durch die Trockenheit und den Borkenkäferbefall der vorhergehenden Jahre geschwächten Bäume sind leichte Beute für die Flammen.
Eine andere denkbare Schlagzeile wäre: »Starkregen in Neuschöningstedt: Ein lokales Starkregenfeld setzte weite Teile von Neuschönningstedt unter Wasser. Keller und Erdgeschosse liefen voll und die Feuerwehr evakuierte Einwohner mit Booten aus ihren Häusern.«
Oder es kann sein, dass wir in der Zeitung lesen:»Nach der dritten durch Dürre verursachten Missernte in Folge haben mehrere Landwirte in Reinbeker Umland ihre Feldpflanzen dem trockeneren und heißeren Klima angepasst. Statt Weizen und Mais werden jetzt Nutzhanf und Oliven angebaut.«
Wollen wir solche Nachrichten verhindern, müssen wir zwei Dinge tun: Die weitere Temperaturerhöhung verhindern durch Herabschrauben sämtlicher Klimagase und uns andererseits auf die nicht mehr vermeidbaren Konsequenzen vorbereiten, also unsere Resilienz stärken. Zu Letzterem gehört zum Beispiel, unsere Anbaumethoden und -Sorten der Land- und Forstwirtschaft anzupassen oder unsere Städte wasserspeichernder und hitzeresilienter zu gestalten.
DR: Großflächiger Waldbrand mit Zerstörung eines Wohngebiets, Überschwemmungen in nicht gekannten Maßen, Hanf und Oliven bei uns im Norden anbauen, ist das nicht etwas weit her geholt?
Christian Schneider: Bereits heute wird in Norwegen und England erfolgreich Wein angebaut, in Nordrhein-Westfalen werden Hanf und Oliven geerntet. In Siegburg wurden 2018 in einem Wohngebiet 8 Häuser schwer durch einen Bahndamm- und Waldbrand beschädigt. In Lohbrügge standen 2018 Straßen einen Meter hoch unter Wasser.
DR: Und was können oder müssen wir Ihrer Meinung nach tun, damit dies nicht passiert?
Christian Schneider: Wir müssen so handeln, als würde unser Haus brennen, um das mit den Worten Greta Thunbergs zu sagen. Und wir müssen auf die Wissenschaft hören. Wir haben ein Zeitfenster von allerhöchstens zehn Jahren. Wir müssen die Artenvielfalt erhalten, denn ohne vielfältige Flora und Fauna sind wir Menschen nicht überlebensfähig.
Wir von Extinction Rebellion wollen den Leuten nicht vorschreiben, was sie machen sollen. Das wäre vermessen. Wir sind die, die Politiker und Medien »aufs Dach steigen« wollen und sie dazu bringen wollen, der Klimakrise ins Gesicht zu sehen und endlich zu handeln. Als Symbol dazu haben wir ein Banner am Sachsenwald-Forum angebracht, im Rahmen einer bundesweiten Banner-Aktion.
DR: Was sind die Forderungen von Extinction Rebellion?
Christian Schneider: Erstens: Politiker und Medien müssen endlich den Mut haben die Bevölkerung über die Klimakrise und die wahrscheinlichen Folgen aufzuklären. Frau Merkel hat vor 30 Jahren ein Buch über zukünftige Aufgaben der Umweltpolitik geschrieben mit dem Titel »Der Preis des Überlebens«. Hätte Sie sich am Anfang Ihrer Amtszeit daran gehalten, wären wir in Deutschland jetzt Vorreiter in Punkto Klimaschutz. Aber auch viele Kommunalpolitiker haben sich noch nicht informiert über die Klimakrise und denken, es sei ein Thema das man hintenanstellen könne.
Zweitens: Politiker müssen die Klimakrise als solche anerkennen und dementsprechend handeln. Ein erster Schritt wäre den Klimanotstand auszurufen, aber dann müssten auch Taten folgen, und zwar schnell. Viele Politiker aber auch die Medien tun so, als müssten wir lediglich ein paar Fahrradwege bauen und mehr E-Auto fahren.
Drittens: Demokratie erweitern! Bürgerversammlungen mit zufällig ausgelosten Bürgern, die der Politik verbindliche Gesetzesvorschläge übergeben sind ein effektives Mittel, um rasch die nötigen Schritte auf den Weg zu bringen. Frankreich hat das gerade gezeigt, wo solche Versammlungen, beraten von Experten, letzten Monat 149 Vorschläge an die Politik übergeben haben, wie man die Klimakrise angehen soll. Damit erarbeiten die Bürger nach ausgiebiger Information, wie sie die vielfachen Herausforderungen angehen wollen. Und ganz nebenbei nimmt man den Bürger mit und schafft Akzeptanz.
DR: Und was kann der Einzelne tun?
Christian Schneider: Na zum Beispiel Mitmachen! #Menschtuwas #jointherebellion
Am 25.9.2020 auf der Welt-Klima-Demo demonstrieren (14 Uhr am Berliner Tor)
Oder am 5.10.2020 für eine Woche mit Extinction Rebellion Berlin blockieren. Wir treffen uns jeden Dienstag um 19 Uhr im Café Chrysander, Chrysanderstraße 61 in Bergedorf und jeden 2. und 4. Dienstag, 19 Uhr im Courvoisier-Haus, Schulstraße 15 in Reinbek
Kontakt: HH-BERGEDORF@extinctionrebellion.DE