Die Geschichte um das Wentorfer Kirchenspiel.

Neun Kilometer zum Gottesdienst nach Hohenhorn (und zurück!)

, von Imke Kuhlmann

Die Kirche zu Hohenhorn heute, einst das Ziel Wentorfer Kirchgänger. FOTO: Imke Kuhlmann

Wentorf – Noch heute existiert eine enge Zugehörigkeit der Kirchen in Wentorf und Hohenhorn. Der Grund liegt hunderte von Jahren zurück. Wolfgang Blandow (82) ist Wentorfer Heimatforscher. Er recherchiert alles rund um die örtliche Historie. Seit seiner Pensionierung 1998 hat er sein Hobby intensiviert. Von ihm erfuhren wir, wie es dazu kam, dass die Wentorfer Kirchgänger viele Jahre lang neun Kilometer Fußweg auf sich nehmen mussten, um einem Gottesdienst beizuwohnen.

Im Jahr 1217 wurde Wentorf erstmals unter dem Namen Wenetdorp urkundlich erwähnt. Seitdem gehörte Wentorf lange Zeit zum Kirchenspiel (Bezirk, in dem Ortschaften einer Kirche zugeordnet sind) Bergedorf. 1312 verkaufte der damalige Domprobst die Dörfer Wentorf, Wohltorf, Börnsen und Escheburg an das Kloster Reinbek. Von den vier Klosterdörfern war die Rede. Dort, wo jetzt das Reinbeker Schloss residiert, stand noch vor rund 500 Jahren ein Kloster. Wentorfs Kirchenzugehörigkeit zu Bergedorf blieb jedoch bestehen. Der mehr als 700 Jahre alte Wohltorfer Kirchenstieg diente den Bürgern der Dörfer, als Weg in die Bergedorfer Kirche. Einen Teil der Strecke gibt es noch heute.

Das Ende des 15. Jahrhunderts brachte Veränderungen mit sich. Drei Ereignisse sollte die Zuordnung der Wentorfer ändern. Die Bergedorfer Kirche forderte Läutegeld (Kosten für das Läuten der Glocken). Weiterer Unmut kam auf, weil dem Bergedorfer Amtsschreiber Andreas Grimm unterstellt wurde, er habe einen Mordanschlag auf den zu der Zeit regierenden Herzog Franz II geplant. Viele Jahre in einem Lauenburger Kerker folgten, bevor er seine Freiheit zurück bekam. Ein Aberglaube brachte das Fass dann zum Überlaufen. Wentorfer Bauern gingen des Nachts zum Bergedorfer Friedhof, gruben eine Frauenleiche aus, schnitten ihr die Kehle durch und flochten ein blaues Band ins Haar. Sie wollten durch diese Prozedur ein Zaubermittel beschaffen, dass gegen die Pest helfen sollte. Welches es war, wurde nie bekannt. Die Bauern sollten vor ein Gericht gestellt werden, das forderte der zuständige Amtmann, doch für Franz II war das ein Eingriff in seine hoheitliche Zuständigkeit.

Für den Herzog war nun die Zeit gekommen, eine eigene Kirche für die Bürger seiner Region zu gründen. Hohenhorn sollte es werden. 1598 wurden Wentorf, Börnsen, Wohltorf und Escheburg diesem Kirchenspiel zugeordnet. Später kamen noch Besenhorst und Fahrendorf hinzu. Das hieß nun, neun Kilometer für den Weg zum Gottesdienst, neun weitere Kilometer für den Nachhauseweg. Nicht jeder Bürger besaß eine Kutsche und lief mit Kindern zu Fuß zur Kirche. Noch heute befindet sich ein Teil des Weges, der »Alte Frachtweg«, südlich von Wentorf entlang des Kleingartengeländes durch die Felder Richtung Börsen. Über Kröpelshagen ging es weiter auf Wald- und Feldwegen nach Hohenhorn.

Als 1894 das benachbarte Reinbek eine eigenständige Kirchengemeinde wurde, zog es viele Wentorfer nach Reinbek. 1898 wurde Wentorf in die Kirchengemeinde Reinbek eingegliedert. Im Jahr 1951, als die Bevölkerung in Wentorf gewachsen war, entstand das Martin-Luther-Haus mit einem Kirchenraum und einem Pastorat. 1953 wurde die Martin-Luther-Kirche eingeweiht, seit 1954 ist Wentorf eine selbstständige Kirchengemeinde, die von einer lebendigen Gemeinde geprägt ist.

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