Menschen bei uns

Integration funktioniert nur gemeinsam

, von Imke Kuhlmann

Karina Korth hat den Mietführerschein entwickelt.

Reinbek/Bergedorf – Mehrere Jahre verbringen manche Geflüchtete in den Notunterkünften. »Ich finde das auf Dauer unmenschlich«, sagt Karina Korth. Nicht nur, dass dies ein Leben ohne Privatsphäre sei, auch sei es äußert schwierig für die Menschen so Fuß zu fassen. Im März 2022 gründete sie die Bergedorfer Stiftung »To Huus«, deren Vorsitzende sie ist. Ihr Ziel: Menschen eine Wohnung zu vermitteln.
Die 64-jährige lebt seit 1999 in Reinbek. Dort engagiert sie sich auch bei »Omas gegen Rechts«. Nach dem Schulabschluss wollte sie eigentlich Lehrerin werden. »Es war leider in den Jahren, als es noch eine Lehrerschwemme gab«, erinnert sie. Das Risiko nach dem Studium ohne Job da zu stehen, war ihr zu groß. Eine Klassenkameradin berichtete ihr von einem Studium an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Hamburg. Korth änderte ihre Pläne und wurde Verwaltungsbeamtin. 30 Jahre arbeitete sie in der Hamburger Sozialbehörde, zwischendurch drei Jahre in der Verwaltung bei der Polizei. Doch tief im Herzen blieb immer der Wunsch, Lehrerin zu sein. Aus gesundheitlichen Gründen wurde sie 2009 pensioniert. Doch sich nun nur noch ihren Hobbies dem Lesen und »Sambatrommeln« zu widmen, würde nicht ihre Erfüllung sein, das wusste sie. »Ich bin niemand, die so viel Freizeit spannend findet«, sagt sie. Sie wolle sich nicht nur um sich selbst kümmern, sie möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Korth sah sich um. Sie machte eine Ausbildung zur Schulmediatorin und kümmerte sich um Konflikte von Schülerinnen und Schülern. Doch 2016 las sie einen Aufruf, dass Freiwillige gesucht werden, die Geflüchteten helfen, sich in Deutschland zurecht zu finden. »Das passt zu mir«, sagte sich Karina Korth. Die Flüchtlingsinititative Reinbek brauchte Unterstützung besonders bei der Suche nach Wohnungen. Korth nahm das Thema in die Hand. Sie kontaktierte Vermieter, spann ein Netzwerk und brachte eine Reihe von Menschen aus der Unterkunft in die eigene Wohnung. »Eine der ersten Personen arbeitet heute bei To Huus«, sagt sie stolz. Korth mag das Gemeinschaftliche, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. So gibt es in ihrer Stiftung inzwischen auch Renovierungshelfer. Geflüchtete, die durch sie oder ihr Team eine Wohnung gefunden haben und handwerklich begabt sind, helfen anderen Geflüchteten bei Arbeiten in der neuen Wohnung, ob Boden verlegen, Wände streichen oder eine Lampe anbringen.
Bereits in Reinbek hat sie den Mietführerschein entwickelt. Fünf Stunden lang lernen die Menschen aus anderen Ländern, was ein Mietvertrag ist, wie die Wohngepflogenheiten von Deutschen sind, was eine Abschlagszahlung ist oder beispielsweise wie Mülltrennung funktioniert. Im Anschluss gibt es einen Test dazu. Darum müssen die Teilnehmenden auch über Deutschkenntnisse verfügen. Bei den Vermietern käme das Projekt gut an.
Nach einiger Zeit bei der Reinbeker Flüchtlingsinitiative verschlägt es die Mutter zweier erwachsener Kinder (42 und 35) und Großmutter zweier Enkelkinder im Alter von zwei und fünf Jahren zum Verein Bergedorfer Völkerverständigung. Dort hat sie das Integrationsprojekt Wohnen aufgebaut. »Ohne Wohnung funktioniert Integration nicht«, sagt sie entschieden. Doch der Verein löste sich aus persönlichen Gründen des Vorstands auf. »Ich fragte mich sofort, wie wir dieses so wertvolle Projekt retten können«, berichtet Korth. Das war der Schritt zur Stiftung »To Huus«.
Karina Korth ist eine quirlige Person. Geht nicht, gibt es bei ihr nicht. Ihr Motor sind ihre Erfolge. Und sie scheut kein Risiko. Dass sie durchaus entspannter als Ruheständlerin leben könnte, ist ihr bewusst, aber das möchte sie nicht. Dennoch hat die Familie einen großen Stellenwert für sie. Einmal in der Woche hütet sie die Enkelkinder in Lübeck. »Dann lasse ich das Smartphone auch mal in der Tasche«, berichtet sie. Obwohl sie bei den Enkeln schon mal die Handyoma sei. »Du guckst immer auf dein Handy«, sagen die Kleinen. Das aber nur, wenn die Eltern des Nachwuchses dabei sind. »Durch meine Enkelkinder bekomme ich den Kopf frei«, so Korth. In ihrem Kopf arbeitet es immer, egal ob bei der Arbeit oder privat. Die Themen lassen sie nicht los. »Für mich gibt es die Trennung Beruf und Privat eigentlich nicht«, sagt sie. Sie brenne für das, was sie tue. Ihr Ehrenamt ist längst zum Beruf geworden.
Finanziert wird »To Huus« aktuell von den Bezirksämtern Bergedorf und Wandsbek. Zudem gibt es Unterstützer wie beispielsweise die Buhck-Stiftung in Reinbek. Die Wartelisten von Interessierten seien lang, die Kontakte zu Vermietern vielfältig. Sechs Mitarbeitende hat die Stiftung mit Karina Korth. Vermittelt werden Personen, die mindestens die Sprachniveaustufe A2 haben, besser noch B1 und bestimmte Voraussetzungen wie beispielsweise den Status als anerkannte Geflüchtete haben. 180 Personen oder auch 87 Haushalte wurden im Jahr 2023 vermittelt. Mit der Wohnung sei der Schritt in den Job leichter und ebenso dabei unterstützt das Team, beispielsweise indem sie Berufsbilder erklären oder zum Jobcenter begleiten. 30 ehrenamtliche Wohnungslotsen stehen dafür bei ihrer Stiftung bereit.
Eins kann Karina Korth überhaupt nicht ausstehen: Ungerechtigkeit. Die Macherin ist sich sicher: »Integration hilft gegen Rassismus und das treibt mich an«. Menschen müssen gute Erfahrungen mit Geflüchteten machen und das gelänge prima. Einen Wunsch hat Karina Korth noch: Ich möchte für die Stiftung noch einen gut zu uns passenden Sponsor finden, der uns aus der ewigen Zitterpartie erlöst, ob wir unsere Projekte finanziert bekommen.

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